Prof. em. Dr. med. Eduard Seidler
Emeritus
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Curriculum vitae
Eduard Seidler (1929-2020)
Eduard Seidler studierte Medizin in Mainz, Paris, Heidelberg und wurde 1953 an der Universität Heidelberg zum Dr. med. promoviert. Nach seiner Assistententätigkeit am Institut für experimentelle Krebsforschung in Heidelberg und an der Universitäts-Frauenklinik in Hamburg (1953-55) absolvierte er in den Jahren 1955-1963 eine Ausbildung zum Facharzt für Kinderheilkunde. In Heidelberg vollzog sich auch die für sein weiteres wissenschaftliches Wirken bedeutsame Hinwendung zur Geschichte der Medizin: Ihn bewegte nicht die übliche Frage nach der Geschichte des medizinischen Fortschritts. Vielmehr wollte er aus seiner klinischen Erfahrung heraus ergründen, wie sich die Phänomene des menschlichen Lebens, Leidens und Sterbens historisch abbilden, welche Antworten und Erklärungsmodelle verschiedene Kulturen und Epochen auf Fragen gefunden haben, die grundsätzlich in der Begegnung von Not und Hilfe liegen. Das hierzu notwendige methodische Rüstzeug erwarb er sich durch ein Begleitstudium der Geschichte, während er am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg, bei Heinrich Schipperges, Assistent war (1963-1967). In dieser Zeit erarbeitete er in Paris eine maßgebliche Studie über die Heilkunde des ausgehenden Mittelalters, mit der er sich 1965 für das Fach Geschichte der Medizin habilitierte. 1967 erfolgte der Ruf auf den Lehrstuhl für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. Das Freiburger Institut, dem er bis 1994 als Direktor vorstand, entwickelte Eduard Seidler zu einem modernen und gut ausgestatteten Ort medizinhistorischer Forschung und Lehre.
1971-74 war er Prorektor der Universität, 1979-1981 Prodekan und Dekan der Medizinischen Fakultät. Die besondere Verbundenheit mit der Medizinischen Fakultät, der Universität und der Stadt Freiburg zeigt sich auch in seinen Forschungen: Seine 1991 erschienene Geschichte der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg ist zum Standardwerk geworden und liegt seit 2007 in zweiter, überarbeiteter Auflage vor.
Weitere Arbeitsgebiete Eduard Seidlers wurden die Geschichte der Kinderheilkunde, die Sozialgeschichte der Medizin im 18. und 19. Jahrhundert, die Geschichte der Krankenpflege (siehe seine seit 1993 in 6. Auflage vorliegende Geschichte der Medizin und der Krankenpflege) und die Medizin im Nationalsozialismus. Seit zwei Jahrzehnten hat sich Eduard Seidler in dem Bereich Ethik in der Medizin engagiert. In enger Abstimmung mit den klinischen Fächern und der Rechtswissenschaft schuf Eduard Seidler in Freiburg ein inzwischen im Klinikum angesiedeltes Kompetenzzentrum für Ethik und Recht in der Medizin (ZERM, heute FERM), einschließlich einer von der Landesärztekammer geförderten Schwerpunktbibliothek.
Nach seiner Emeritierung im Sommersemester 1994 hat Eduard Seidler umfangreiche medizinhistorische Forschungsprojekte in Angriff genommen. 1995 beauftragte ihn die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, den Schicksalen der jüdischen Pädiater in Deutschland und Österreich nach 1933 nachzugehen. Forschungsreisen führten ihn zu Bibliotheken, Archiven und zu Gesprächen mit Zeitzeugen in Deutschland, in Wien und Prag, in den U.S.A. und Israel. Das umfangreiche Quellenmaterial über die Schicksale von über 700 Ärztinnen und Ärzten wurde in Einzelbiographien aufbereitet. Die Ergebnisse erschienen im Jahr 2000 als Monographie, eine zweite überarbeitete Auflage folgte 2007. Weiterhin betreut er seit 1997 in Zusammenarbeit mit der Bezirksärztekammer Südbaden ein Forschungsprojekt über die badische Ärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus.
Eduard Seidler ist Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Fachgesellschaften; von 1988-1992 war er Präsident der von ihm 1986 mitbegründeten Akademie für Ethik in der Medizin. Seit 1991 ist er Mitglied in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zu Halle. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin sowie die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Medizin haben ihn zu ihrem Ehrenmitglied ernannt.
Am 9. Juli 2003 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine Verdienste um die Dokumentation der Schicksale jüdischer und politisch verfolgter Kinderärzte im Nationalsozialismus.